Sachsenhagen am Mittellandkanal

1916 erreichen die ersten Schiffe Sachsenhagen

Das Motorgüterschiff „Sachsenhagen“

Der Hafen Sachsenhagen

Einführung

Der Mittellandkanal (MLK) zweigt bei Bergeshövede, 13 km östlich von Rheine, aus dem Dortmund-Ems-Kanal ab und endet nach rd. 320 km Länge bei Magdeburg an der Elbe. Er verbindet als zentraler Teil der einzigen West-Ost-Wasserstraße Norddeutschlands die Stromgebiete des Rheins, der Ems, der Weser und der Elbe und stellt darüber hinaus die Verbindung nach Berlin und zu den osteuropäischen Wasserstraßen her.

Abb.: Der Mittellandkanal und seine Anschluss- Wasserstraßen (Wasser- und Schifffahrtsamt – rot = Minden, blau = Braunschweig, schwarz = Uelzen, grün = Verden, schwarz südl Weser = Hann.-Münden). Das Bild zeigt den Bereich der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt -Außenstelle Mitte- in Hannover (Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt – Außenstelle Mitte -Am Waterlooplatz 5, 30169 Hannover, www.wsv.de, Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. http://www.wsd-mitte.wsv.de/ausbau/allgemeines/index.html)

Neben den vom MLK direkt berührten Industriegebieten Ibbenbüren, Minden, Hannover, Braunschweig und Magdeburg binden Stichkanäle nach Osnabrück, Hannover-Linden, Hannover-Misburg, Hildesheim und Salzgitter weitere wichtige Industrie- und Gewerbegebiete an den MLK an.

Baubeginn 1906

Mit dem Bau des MLK zwischen Bergeshövede und Hannover wurde im Jahre 1906 begonnen. Auf dem Kanalabschnitt bis Minden, zunächst als „Ems-Weser-Kanal“ bezeichnet, wurde der Verkehr am 15. Februar 1915 aufgenommen. Östlich von Minden konnten die Arbeiten im Herbst 1916 bis Hannover abgeschlossen werden (www.wsa-minden.de/wasserstrassen/mittellandkanal/).

Die durch Schleusenbetrieb, Verdunstung und Versickerung bedingten Wasserverluste des MLK werden mit dem Hauptpumpwerk Minden ersetzt, das Weserwasser in den 13 m höher gelegenen Kanal fördert. Um diese Wasserentnahmen auszugleichen und so Nachteile für Schifffahrt und Landeskultur im Weserraum vermeiden zu können, wurden 1908 bis 1914 die Edertalsperre (202 Mio. m³ Stauraum) und 1912 bis 1923 (mit kriegsbedingter Unterbrechung) die Diemeltalsperre (20 Mio. m³) errichtet.

Um Ems, Weser und Elbe miteinander zu verbinden, muss der MLK zwei Wasserscheiden zwischen diesen Flussgebieten überwinden. An seinem westlichen Beginn bei Bergeshövede, am Dortmund-Ems-Kanal, liegt der Wasserspiegel des MLK auf NN + 50,30 m. Die Wasserscheide zwischen Ems und Weser überwindet er ohne Schleusen. Die Weser wird bei Minden mit einer Kanalbrücke gekreuzt. Östlich der Weser verläuft der Kanal immer noch auf der Höhe NN + 50,30 m, überquert die Leine und eine Flutmulde der Leine auf jeweils einer Brücke und steigt erst mit der Hindenburgschleuse in Anderten in seine Scheitelhaltung mit einer Wasserspiegelhöhe von NN + 65 m. Mit der Schleuse Sülfeld, westlich von Wolfsburg, endet die Scheitelhaltung; der MLK geht hier in seine Osthaltung auf der Wasserspiegelhöhe NN + 56 m über.

Abb.: Der Zuständigkeitsbereich des Wasser- und Schifffahrtsamt Minden fängt am Dortmund-Ems-Kanal an und hört bei km 128,14 km exakt in Sachsenhagen auf ( www.wsa-minden.de/wir_ueber_uns/zustaendigkeit/).

Der MLK wurde westlich von Hannover für einen Verkehr mit 600-t-Schiffen gebaut. Man sah aber vorausschauend bereits die Möglichkeit vor, den Wasserspiegel um 50 cm anzuheben, um so den Verkehr mit 1.000-t-Schiffen zu ermöglichen. Östlich von Hannover ist der MLK bereits von vornherein für das 1.000-t-Schiff mit 9,00 m Breite und 2,00 m Tiefgang gebaut worden. Der Kanalquerschnitt war ein Muldenprofil mit Wassertiefen in der Mitte von 3,00 m – 3,50 m und Wasserspiegelbreiten zwischen 31 m und 39 m.

Abb.: Mögliche Kanalquerschnitte nach dem Kanalausbau

Abb.: Nur 3 Höhenniveaus hat der Mittellandkanal. Der Streckenverlauf mit Schleusen von der Ems bis zur Elbe.

Entwicklung

Bereits gegen Ende der 30er Jahre erreichte der Verkehr 12 Mio. Jahrestonnen und ist auf etwa 23 Mio. t angewachsen. Hiervon entfallen ca. 6 Mio. t auf den Durchgangsverkehr und ca. 17 Mio. t auf den Gebietsverkehr, d. h. einen Verkehr, der in den Häfen des Kanals selbst beginnt oder endet.

Die Verkehrsentwicklung wurde von einem grundlegenden Wandel in der Binnenschifffahrt begleitet. Die langsam fahrenden Schleppzüge sind vollständig verschwunden, die Verkehrsleistungen werden heute von selbstfahrenden Motorgüterschiffen und Schubverbänden erbracht. Diese größeren und auch schnelleren Schiffe bewirkten zusammen mit der gestiegenen Anzahl der Fahrzeuge eine Belastung des Kanalbetts, für die es bei weitem nicht bemessen war. Ständige Uferabbrüche und die Ablagerung des erodierten Materials auf der Kanalsohle waren die Folge. Moderne Motorgüterschiffe konnten wegen der bestehenden Tiefgangsbeschränkung in der Regel nur 70 % ihrer Tragfähigkeit ausnutzen.

Erneuerung und Ausbau ab 1965

zweigliedriger Schubverband

Daher wurde 1965 der Mittellandkanal-Ausbau für das Europaschiff mit 1.350 t Tragfähigkeit bei 80 m – 85 m Länge, 9,50 m Breite und 2,50 m Abladetiefe beschlossen und in einem Regierungsabkommen zwischen dem Bund und den beteiligten Ländern festgelegt. Die für den Verkehr mit diesen Fahrzeugen entwickelten Regelquerschnitte weisen bei 4,00 m Wassertiefe Wasserspiegelbreiten zwischen 42 m und 55 m auf.

In Anbetracht der weitergehenden Entwicklung im Schiffbau und bedingt durch den Zwang zu wirtschaftlichen Fahrzeugen werden der Erweiterung des Kanals heute das Großmotorgüterschiff (110 m x 11,40 m x 2,80 m) und der zweigliedrige Schubverband (185 m x 11,40 m x 2,80 m) zugrunde gelegt.

 Der Ausbau des Kanals beinhaltete seine Verbreiterung und Vertiefung unter Aufrechterhaltung des Verkehrs sowie den Bau von Sohl- und Uferbefestigungen, die den Belastungen aus dem heutigen und dem prognostizierten Verkehr standhalten. Wegen der Verbreiterung des Querschnitts waren weiterhin eine Erneuerung sämtlicher Brücken erforderlich, deren Stützweite nicht mehr ausreichte, sowie ein Neubau sämtlicher Durchlässe und Düker, bei denen weder die Länge noch die erforderliche Überdeckung mit den Ausbauzielen in Einklang zu bringen war. Die bisherige Durchfahrtshöhe unter den Brücken von 4,00 m wurde auf 5,25 m vergrößert.

Chronik des Mittellandkanals

1856 Erste Pläne zum Bau eines Kanals vom Rhein zur Elbe. Die Vertreter der Montanindustrie an Rhein und Ruhr suchten nach besseren Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte und Alternativen für das Eisenbahnnetz, das noch nicht leistungsfähig genug war. Acht Jahre später gab es unverbindliche Verhandlungen über die Durchführung eines Kanals durch das Gebiet des Fürstentums Schaumburg-Lippe zwischen der preußischen und der schaumburg-lippischen Regierung.

1891 Beginn der Vorarbeiten in Schaumburg-Lippe. Bekanntmachung der „Fürstlich Schaumburg – Lippische Landesregierung“ vom 30. Sept. 1891. Erlaubnisserteilung zur Vornahme allgemeiner Vorarbeiten.

Abb.: Anzeige im Fürstentum Schaumburg- Lippe zur Genehmigung erster Vorarbeiten

1892 wird zunächst der Dortmund-Ems-Kanal als Nord-Süd-Verbindung realisiert. Er wurde nach nur siebenjähriger Bauzeit am 11. August 1899 als erster der großen Binnenschifffahrtskanäle eröffnet.

1899 und 1901 scheiterten entsprechende Vorlagen zum Bau eines Kanals zwischen Rhein und Elbe im preußischen Abgeordnetenhaus. Erst im dritten Anlauf 1904/05 wurde das Vorhaben genehmigt. Gegen den Bau einer Verbindung zwischen Rhein und Elbe regte sich vor allem in konservativen Kreisen Widerstand. Die ostelbischen Großagrarier fürchteten den Zufluss billiger Produkte aus dem Westen. Die Großgrundbesitzer, die sich im “Bund der Landwirte“ zusammengeschlossen haben, befürchten auch, auf dem neuen Kanal könne Importweizen billig nach Ostdeutschland transportiert werden. Zudem würde der Bau des Kanals der leidenden Landwirtschaft, die dringend benötigten Arbeitskräfte entziehen. Unterstützt wurden die Baupläne dagegen durch Kaiser Wilhelm II. und den preußischen Finanzminister Johannes von Miquel.

Die Vorlage für das Projekt wird von den „Kanalrebellen“ im preußischen Landtag blockiert. Wilhelm II. ist erbost. Er lässt die Landräte und Regierungspräsidenten, die gegen das Kanalprojekt gestimmt haben, kurzerhand in den Ruhestand versetzen und schließt sie erzürnt vom höfischen Leben aus. (preussenchronik.de/ereignis_jsp/key=chronologie_008620.html)

1905 Mit dem Inkrafttreten des preußischen Wassergesetzes vom 1. April 1905 wurde auch der Bau des Mittellandkanals begonnen. Zunächst wurde nur der Bau von Bergeshövede am Dortmund-Ems-Kanal bis Hannover in Angriff genommen. (Staatsvertrag zwischen Preußen und Schaumburg-Lippe wegen Fortführung des Rhein-Weser-Kanals durch das Fürstentum Schaumburg-Lippe vom 19./30. Oktober 1906 (GS 1907 S. 201))

Fürst Georg von Schaumburg-Lippe erklärt sich mit dem Streckenverlauf einverstanden.

Abb.: Dampfmaschinen betriebene Bagger unterstützen die Aushubarbeiten

Abb.: Arbeiter aus allen Ländern werden eingesetzt.

1907 Noch bevor der Staatsvertrag am 13. März 1907 in Berlin ratifiziert wurde, erhielt am 18. Februar Bürgermeister Reinicke in Sachsenhagen ein Schreiben des „Königlichen Kanalbauamts Bückeburg“, in welchem es hieß (Sachsenhagen Burg-Flecken-Stadt, Heinrich Munk, 1984, C. Bösendahl Verlag)

„Es wird in Erwägung gezogen, in Sachsenhagen oder Umgebung etwa zu Anfang nächsten Jahres ein Baubüro einzurichten, und die erforderlichen Räume von 3 bis 8 Zimmern – je nach dem Vorhandensein – für längere Zeit (ca. 4 Jahre) zu mieten. Ich bitte um baldige Mitteilung, ob dort geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen und ob, wenn das nicht der Fall ist, vielleicht ein Bauunternehmer bereit wäre, selbst ein neues Haus zu bauen, das von der Kanalbehörde gemietet werden könnte.“

Bürgermeister Reinicke regte in der Ratssitzung am 13. März 1907 an, die Stadt möge etwa 1 ha Land „zur Herstellung des neuen Anlegeplatzes am Kanal aussetzen“.

Der Beginn der Bauarbeiten verzögerte sich. Am 24. November 1907 erhielt die Stadt die Nachricht, daß „in dieser Woche mit den Absteckungsarbeiten in der Feldmark begonnen werde“.

1908 Zimmermeister Stelling errichtet für die Kanalbauverwaltung ein Haus am Dühlfeld.

Abb.: Gebäude der Kanalbauverwaltung, heute Wohnhaus Dühlfeld 13

1909 Für den Kanalbau müssen 40 Sachsenhäger Grundstücke verschiedener Größe zur Verfügung gestellt werden. Größtenteils waren es Wiese und Weideland. Mit den eigentlichen Bauarbeiten wird begonnen.

1912 Die Arbeiten an dem Anlegehafen werden im Jahre 1912 aufgenommen. Bürgermeister Reinicke schreibt am 9. November 1912:

„Durch die Anlage des Kanals hegt die Stadtvertretung nach reiflicher Überlegung die Gewissheit, daß dadurch Handel und Verkehr auflebt und hält sich zur Hebung denselben und im Interesse der Stadt für verpflichtet, die Gelegenheit zu benutzen und in Anbetracht der günstigen Lage an der Landstraße eine Uferladestelle anzulegen. Es sei erwähnt, daß in weiten Entfernungen zu beiden Seiten an der Kanallinie keine Ladestelle weiter eingerichtet werden.

Auch ist bei der günstigen Gelegenheit der Verkoppelung und mit Hilfe des Herrn Präsidenten der Generalkommission in Cassel sowie auf Anregung der Königlichen Kanalbaudirektion in Hannover Anordnung getroffen, daß die Stadt nicht allein die etwa 1 ha große Fläche zum Anlegehafen, sondern auch einen 3 1/2 ha großen Komplex zum vollständig projektierten Stichhafen direkt am Anlegeplatz anschließend von ihren Grundstücken ausgewiesen erhalten hat. Die Anlage der Ladestelle ist in den geringsten Dimensionen und für eine Kahnlänge vorgesehen, die der Stadt bis auf weiteres genügen wird.

Was die Rentabilität der Anlage anbetrifft, so wird zu Anfang nicht gleich mit großen Überschüssen zu rechnen sein, denn der geschäftliche Verkehr wird sich erst allmählich aber sicher entwickeln, so daß mit der Zeit der Stadt daraus Einnahmen zufließen werden.

Denn schon wie erwähnt liegt unser Ort sowie die Anlage zur Beförderung von Güterverkehr recht günstig. Unmittelbar anschließend liegt die große und holzreiche fiskalische Waldung, etwa 4 bis 5 Kilometer entfernt die Wölpinghauser- und Rehburger- Sandsteinbrüche. Am Platze selbst ist eine große Ziegelei, die über 4 Millionen Mauersteine verfertigt, dann ein bedeutendes Getreide-, Dünger- und Futtermittelgeschäft, sowie zwei gut situierte Holz- und Bretterhandlungen, die hauptsächlich ihre Güter nur von Bremen und Bremerhaven (!) beziehen und wegen großer Fracht und ganz bedeutender Transportersparnis den Wasserweg bestimmt benutzen werden. Außerdem werden sich noch Verfrachtungen und Löschungen einstellen, die erst mit der Zeit zu überblicken sind.“

Im Herbst wird die Anlegestelle fertiggestellt. Die Stadt hat für ihren „Hafen“ 7.661,41 Mark an Baukosten zu zahlen. Neben dem Hafen gehörten der Stadt auch die Brückenauffahrten bei der Stadt und bei Niedernholz, die von der Stadt unterhalten werden müssen.

Abb.: Die Kali-Umladestation Sachsenhagen in ca. 1970, Quelle: Eckhard Szalies

Abb.: Blick auf Arbeiten am Kanalbett bzw. der wasserseitigen Böschung mittels Trockenbagger. Im Hintergrund die Straßenbrücke Pollhagen über den MLK (bei km 123,806, Brücke Nr. 161, alt)

Die Einführung des Schleppmonopolbetriebs durch Gesetz von 1912 geht auf grundlegenden Arbeiten von Dr.-Ing. Sympher, Geheimer Oberbaurat zurück. Das Schleppmonopol hat über ein halbes Jahrhundert seine wirtschaftliche Berechtigung als Träger des Schifffahrtsbetriebs auf dem Mittelland-Kanal bewiesen, bis es durch die allmähliche Umstellung auf Selbstfahrer überholt und mit der Auflösung des Bundesschleppbetriebes am 31. Dezember 1967 hinfällig wurde. („Leo Sympher – Lebensbild eines großen Wasserbauers“ von Hugo Tamm (1971). (Nachdruck aus „50 Jahre Weserbund“ – Band 10 der Schriftenreihe „Sorgen und Schaffen für die Weser“) Auszug aus einer Veröffentlichung des Bundesministeriums für Verkehr Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte, ca. 1994)

Abb.: Blick auf den Mindener Schlepperhafen, Quelle: Karl Nelz

1914 Vom Nov. 1914 ab hat die Füllung des neuen Kanalbettes bei Minden begonnen und am 16. Febr. 1915 setze sich der erste Schlepper in Bewegung.

Abb: Die Kanalbrücke über die Weser (Wasserstraßenkreuz) wurde 1911 bis 1914 erbaut. Die Einweihung = Freigabe des Verkehrs war am 15.02.1915, die erstmalige Füllung der Kanalbrücke am 25.05.1914 (Bundesanstalt für Wasserbau, http://bildarchiv.baw.de/cdm/singleitem/collection/wsv/id/5245/rec/40)

Abb.: Ein Schiff der Westfälischen Transport AG wird mit Kali aus dem Werk Siegmundshall-Bokeloh in der Umladestation Sachsenhagen befüllt (ca. 1954). Der Titan der Firma Menell ist ein LKW-Modell von Krupp, das von 1950 bis 1954 in Essen gebaut wurde. Quelle Alexandra Blume

1915 15. Febr. Der Mittellandkanal wird nach 5-jähriger Bauzeit fertig gestellt. Hafen (Mittelland- Kanalkilometer 129,5) und Wendebecken werden dem preußischen Staat von der Stadt zur Verfügung gestellt. Verpachtung an die Union-Schifffahrts- und Lagerhaus-Gesellschaft m.b.H. Hannover, zwecks Kaliumumschlag der Kali und Salz AG, Werk Siegmundshall, Schacht Bokeloh. Der Betrieb des Hafens wird die wichtigste Einnahmequelle der Stadt Sachsenhagen.

Abb.: Bau der Brücke Nordsehl nach Pollhagen, 1912, Nr. 161, km 123,8 Erst werden die Brücken gebaut, dann das Bett ausgehoben (Quelle:Bundesanstalt für Wasserbau).

1916 Östlich von Minden konnten die Arbeiten im Herbst bis Hannover abgeschlossen werden. Es werden die Häfen Sachsenhagen (Mittellandkanalkilometer 129,5), Pollhagen (Kilometer 123,5), Wiehagen (Kilometer 119,1) und Bückeburg-Berenbusch (Kilometer 106,7) ausgebaut.

Abb.: Böschungsarbeiten an einer Brücke im Bereich Sachsenhagen-Auhagen. Quelle: Alexandra Blume

1924 Die UNION als Transportunternehmen wird gegründet. Gründungspaten bildeten einmal die Kali-Industrie, speziell die Burbach-Gruppe mit ihrem Werk Siegfried Giesen bei Hildesheim, zum anderen die Westfälische Transport Aktiengesellschaft, Dortmund. Beide Gruppen besaßen eigene Schiffe, die über die gemeinsame Firma UNION nun nicht mehr leer in der jeweils einen Richtung verkehren mussten, sondern Kohle von der Ruhr in das Hannover Gebiet transportierten und rücklaufend Kali Richtung Westdeutschland mitnahmen.

1926 konnten die Arbeiten östlich von Hannover (sog. „Osthaltung“ des Mittellandkanals) aufgenommen werden. In Sachsenhagen wird eine Badeanstalt im Hafen eingerichtet. Bademeister ist Gastwirt Wilkening und Frau Meier (Frisör) (Erzählung von Anna Harste).

1928 ging die damalige „Hindenburg-Schleuse“ bei Anderten in Betrieb.

1929 bzw. 1933 wurden die Häfen in Peine und Braunschweig angebunden. Bis 1938 wurde mit der Fertigstellung der Schleuse Sülfeld und des Schiffshebewerks Rothensee die Anbindung an die Elbe abgeschlossen.

Abb.: Der dampfgetriebene Eisbrecher „Hannover“ H82 durchfährt den Mittellandkanal im Bereich Minden. Die Frachtkähne liegen am Ufer wegen Eisgang. 1930 ( Bundesanstalt für Wasserbau http://medienarchiv.baw.de/cdm/singleitem/collection/wsv/id/7816/rec/14).

Abb.: Blick auf die alte Straßenbrücke Nr. 201 von Niedernholz nach Sachsenhagen vor dem Streckenausbau (Bundesanstalt für Wasserbau, http://bildarchiv.baw.de/cdm/singleitem/collection/wsv/id/8019/rec/6).

1938 Am 30. Oktober wurde der Mittellandkanal gegen Osten in Betrieb genommen. Kriegsbedingt wurden 1942 die Arbeiten an der Elbüberquerung und der Schleuse Hohenwarthe eingestellt.

1945 Die Sachsenhäger Kanalbrücke wird von einem deutschen Pionierbataillon gesprengt, doch sehr bald wiederaufgebaut. Als Alternative wird ein Plan einer Notbrücke entworfen aber nicht ausgeführt.

Abb.: Die zerstörte Brücke in Sachsenhagen wird wiederaufgebaut

Abb.: Die geplante aber nicht ausgeführte Not-Brücke in Sachsenhagen

Abb.: Der Sachsenhagener Hafen in den 50-iger Jahren. Das Haus am rechten Bildrand wurde um 1965 vom Wasser- und Schifffahrtsamt abgerissen. Es diente seit der Erbauung 1925 zur Unterkunft der Bediensteten.

1950 Im Mai eröffnete die UNION Schifffahrt den Umschlaghafen Sachsenhagen. Rund ein Jahr hatten die Stadträte und Stadtdirektor Klingemann mit den Herren der UNION über das Zustandekommen dieser Aktivität verhandelt. Die Interessen der UNION Schifffahrts- und Lagerhaus GmbH vertraten Geschäftsführer Wilhelm Romberg, tatkräftig unterstützt von seinem jüngeren Kollegen Walter Kemper und dem Prokuristen Hermann Bögemann (Sachsenhagen Burg-Flecken-Stadt, Heinrich Munk, 1984, C. Bösendahl Verlag, S.255).

1953 Bereits im diesem Jahr gehen 51.060 t Kali von Sachsenhagen aus in alle Welt. In Tag- und Nachtschichten bringen die Spezialfahrzeuge der Firma Menell das Salz vom Kaliwerk Sigmundshall bei Bokeloh zum Hafen. Die Schiffe können bis zu 1.000 t aufnehmen. Der Ladekapazität der größeren Schiffe sind durch die geringe Tiefe des Kanals Grenzen gesetzt. In den nächsten Jahren steigert sich die Zahl der umgeschlagenen Tonnen. Es werden z. B. verladen:

1954 112.110 t, 1959 216.836 t, 1964 259.473 t, 1969 363.432 t, 1972 374.806 t, 1984 rd. 400.000 t

Rekordverladung an einem Tage im Drei-Schichten-Rhythmus sind 2.900 t. Nur wenn allzu strenger Frost einen so dicken Eispanzer über den Kanal legt, daß alle Schifffahrt ruhen, gibt es eine Unterbrechung. Mitte Oktober 1959 fuhren der mit Fähnchen und Tannengrün geschmückte Lastzug mit der millionsten Tonne unter das Schuppendach der Umladestation. In den 60er Jahren lagern in der Nähe des Hafens auch Petrolkoks (75.000 t) und Kohle (160.000 t), die aber bis 1972 wieder abbefördert wird. Auch im Winter 2012/2013 wird Streusalz im Hafen Sachsenhagen gelagert.

Seit etwa 1980 sind die Rhenus AG und die Kali und Salz AG, beide in ihrer Eigenschaft als Nachfolgegesellschaften der Gründer der UNION, Anteilseigner der UNION Schifffahrts- und Lagerhaus GmbH.

1956 Das Motorgüterschiff „Sachsenhagen“ der Union Schifffahrts- und Lagerhaus GmbH, Hannover wird in Betrieb gestellt. Die „Sachsenhagen“ fasst rund 1000 t Salz (www.arminius-schiffe.de/221.html).

Abb: Im harten und langen Winter 2012/2013 wird Streusalz im Hafen Sachsenhagen gelagert. Quelle: Eckhard Szalies

1960 Eine Seilbahn verband den Schacht Lüdersfeld mit dem Schacht Auhagen. In gerader Linienführung wurde in verschiedenen Bauabschnitten die Seilbahn – ca. 6 km lang – 1959/60 fertiggestellt. Auf halbem Wege überquerte sie den Mittellandkanal beim Hafen Sachsenhagen und führte zum Schacht Lüdersfeld. Die Seilbahn war nur kurz in Betrieb (Der Schacht Auhagen, www.bergbau-museums-stube.de Gunter Ludewig, Lindhorst).

Am Kanal wird eine Verladeeinrichtung für Kohle geschaffen. Vom Hafen Sachsenhagen wird mit den Schiffen der „Luise-Schifffahrtsgesellschaft“, einer damaligen Tochtergesellschaft der PREUSSAG, die Kohle zum Kraftwerk nach Lahde transportiert. Nach dem Zusammenbruch der Anlage wird die Verladung wieder eingestellt.

Abb: Kohleverladung im Hafen Sachsenhagen aus dem Auhäger Revier

Es werden Pläne zum Ausbau des Mittellandkanals erstellt, um auch größere Schiffe die Benutzung des MLK zu ermöglichen. Unter anderem werden hierzu auch die Durchfahrtshöhe unter Brücken vom 4,00 m auf 5,25 m vergrößert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Binnenschifffahrt von einem tiefgreifenden Strukturwandel begriffen: Der traditionelle Schleppverband wurde zunehmend durch selbstfahrende Motorgüterschiffe und Schubverbände ersetzt. Damit verbunden war eine Erhöhung der Geschwindigkeit und (mit Vergrößerung von Abmessungen und Tiefgang) der Tragfähigkeit der Schiffe.

Abb: Schlepper Merseburg mit Schleppverband unterhalb der Schleuse Bernburg um 1960

1961 Europäische Verkehrskonferenz beschließt das so gen. Europaschiff (1.350 t, 85 m lang, 9,50 m breit, 2,50 m Abladetiefe) für die Wasserstraßenklasse IV.

Erfordernisse: Wassertiefe = 4 m (3 bis 3,5), Wasserspiegelbreite: 42 bis 55 m (33 bis 37), Durchfahrtshöhe: 5,25 m (Aufzeichnungen von H. Nelz, Gästeführer Bad Nenndorf).

1965 Regierungsabkommen zum Ausbau des Mittellandkanals von Bevergern bis Sülfeld nach europäischem Standard für moderne Binnenschiffe

1968 In der Bundesrepublik wurde 1968 bis 1976 zunächst über den Elbe-Seitenkanal eine Verbindung mit der unteren Elbe hergestellt, der für eine weitere Erhöhung des Verkehrsaufkommens auf der Westhaltung des Kanals führte. Westlich der Schleuse Sülfeld bei Wolfsburg wurde der Mittellandkanal deshalb zur Wasserstraße nach modernen Standards für sogenannte „Europaschiffe“ (Typschiff der damaligen Wasserstraßenklasse IV mit 80-85 m Länge, 9,50 m Breite und 2,50 m Tiefgang) ausgebaut.

1976 Aufgrund eines deutsch-deutschen Regierungsabkommens wurden ab 1976 auch Teilstrecken in der DDR ausgebaut. Baubeginn des Elbe- Seitenkanals

1992 Die Wirtschaftskommission für Europa (ECE) beschließt die Wasserstraßenklasse Vb: Großmotorgüterschiff (110 x 11,4 x 2,8m, 2.000 t) und zweigliedrigen Schubverband (185 x 11,4 x 2,8 m, 3.500 t).

1993 Erster Rammschlag für das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17. Nach der Wiedervereinigung wurde der weitere Ausbau als einziges Wasserstraßenprojekt in die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit aufgenommen. Zu den vom Wasserstraßen-Neubauamt Helmstedt durchgeführten Maßnahmen gehörten die Vollendung des Wasserstraßenkreuzes Magdeburg und der Schleuse Hohenwarthe, die 2003 abgeschlossen wurden. Damit war der Mittellandkanal erstmals in seiner ganzen Länge schiffbar. Das im Bereich zwischen der Schleuse Sülfeld und dem Schiffshebewerk Rothensee teilweise noch vorhandene Muldenprofil ließ nur die Benutzung für „Europaschiffe“ sowie Schubverbände bis 147 m Länge und einer Abladetiefe von 2,10 m zu und genügte damit nicht mehr den Anforderungen der modernen Binnenschifffahrt. Zwischen 1995 und 2004 wurde auch der ca. 25 km lange Streckenabschnitt im Drömling für Schubverbände bis 185 m Länge, 11,40 m Breite und 2,80 m Tiefgang sowie Großmotorgüterschiffe mit bis zu 110 m Länge ausgebaut. Bis 2013 soll der Streckenabschnitt bei Wolmirstedt einschließlich der Kanalüberführung Elbe abgeschlossen werden.

1993 Verbreiterung des Mittellandkanals im Sachsenhäger Bereich von ursprünglich 33m auf 53m. (Bauzeit von Mai 1993 bis Okt. 1994).

Abb.: Kanalverbreiterung bei Sachsenhagen

Abb.: Neubau der Sachsenhäger Kanalbrücke, 1994

1994 Eine Magdeburger Firma schweißt das Stahlgerüst der Brücke auf der südlichen Kanalseite zusammen.  Am 16. bis 17. April 1994 wird die neue „Parabelbogenstabbrücke“ auf 2 Pontons mit fahrbaren Gerüsten auf Stahlschienen eingeschoben. Das 43 t Stahlgerüst ist 68 m lang und die Durchfahrtshöhe beträgt 5,25m. Die Kosten betragen ca. 5,5 Millionen DM.

Am 30. September 1994 wird die neue Kanalbrücke mit einem großen Brückenfest eingeweiht. Die 14-monatige Sperrung hat endlich ein Ende und alle „Sachsenhäger“ atmen auf. Die Brücke hat jetzt eine Länge von 68m und eine Breite von 9m und ist 360t schwer.

Abb.: Die Pastoren Mika und Kalkusch sowie Amtspersonen aus Politik und Verwaltung eröffnen die neue Brücke

2010 Frühjahr, Beginn der Arbeiten der neuen Schleuse in Minden

2016 Je LKW der Fa. Menell werden ca. 25 t transportiert, je Schiff werden ca. 40 LKW benötigt. Es werden jährlich ca. 600 Schiffe beladen. Die Verladetonnage beträgt im Durchschnitt 420.000 t/J, max. wurden 546.000 t/J (1989) verladen. Täglich werden ca. 2000 t = 2 Schiffe verladen. Die größten Europaschiffe fassen ca. 1.850 t. Zielhafen sind Harlingen/Niederland, Antwerpen und Gent/Belgien und Mülhausen/Frankreich.

Insgesamt sind bis 2016 ca. 26. Mio t umgeschlagen worden. (ähnliche Menge wie die Abraumhalde in Bokeloh) (Angaben von Eckhard Szalies )

Zum 100-jährigen Jubiläum der Inbetriebnahme des Mittellandkanales zeigt der Heimatverein Sachsenhagen-Auhagen e.V. eine Ausstellung im Ratskeller anlässlich des Stadtfestes im August

2017  Kompl. Fertigstellung der neuen Schleuse in Minden

Abb.: Schachtschleuse Minden, links Prinzip der alten Schleuse, rechts alte und neue Schleuse (Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, Neubauamt Hannover, http://www.nba-hannover.wsv.de/baumassnahmen/aktuelle_baumassnahmen/neubau_schleuse_minden/index.html)

Abb.:  Moderner Schubverband auf dem Mittellandkanal bei Peine

Abb. Sicherheitstor im Osten: Lohnde, im Westen: Berenbusch

Abb. Die neue Mindener Weserschleuse wurde am 18. August 2017 in einem feierlichen Akt für den Verkehr freigegeben – erstes Großmotorgüterschiff „BCF Glückauf“ geschleust

Nach rund siebenjähriger Bauzeit (2010 bis 2017) mit zwei Jahren Verzögerung war es soweit: Die neue Weserschleuse Minden wurde am 18. August 2017 für den Schiffsverkehr freigegeben. Somit können ab sofort Großmotorgüterschiffe, beladen mit Containern für den Transport zum zukünftigen Mindener Hafen RegioPort Weser, mit einer maximalen Länge von 110 Metern, Breite von 11,45 Metern und Abladetiefe von 2,50 Metern die Mittelweser befahren und das Jahrhundertbauwerk passieren. Gerechnet wird mit rund 4000 Schleusungen pro Jahr.

Erzählungen über das Leben am Kanal in Sachsenhagen, aufgezeichnet und niedergeschrieben von Anne Beckmann in 1994 bis 1995

Die Badeanstalt am Kanal, von Friedel Wittenberg:

Die Badeanstalt am Kanal muß Mitte der 20er Jahre im rechten östlichen Teil des damaligen Hafenbeckens angelegt worden sein und zwar so: durch aneinander mit Ketten befestigten, etwa 25-30 cm dicken und ca. 6 m langen Kiefern- oder Fichtenstämmen wurde auf einer Länge von ca. 25-30 m der noch ausgebuchtete Teil des westlichen Hafenbeckens bis zur Fahrrinne abgeteilt, so daß der abgetrennte Teil vom Ufer bis zu den Stämmen noch ca. 6 m breit war.

Letztere waren wiederum auf der Kanalsohle mit Betonplatten verankert. Außer einigen Treppenstufen und einem ca. 3 m hohen Sprungbrett war das Ufer und die Böschung so belassen. Auf der an die Böschung angrenzenden Wiese diente eine einfache Bretterbude für Umkleidekabine und Aufenthaltsraum für die ehrenamtliche Aufsichtsperson, die mehrfach wechselte. Ich entsinne mich an Gottfried Wilkening, Ernst-August Reinicke und während des Krieges soll es Frau Meier (Friseur) gewesen sein.

Nach dem Kriege wurde die Einrichtung abgebaut, weil sie den neuen Sicherheitsvorschriften nicht mehr genügte. Überhaupt wurde damals im Kanal viel und gern gebadet. Das Wasser war noch glasklar und die Zug- und Schleppschiffe hatten noch keinen solchen Tiefgang.

Die Schlepper hatten Dampfmaschinen mit einem langen Schornstein, der vor jeder Brückenpassage umgelegt werden musste. Sie zogen in der Regel 4-6 Kähne bis zu 600 Tonnen, die beladen an 20-25 m langen Seilen gezogen wurden, unbeladen aber sehr kurz hinter dem Schlepper und aneinander geteut waren. Die Schleppzüge waren mit ca. 8-10 km/h so langsam, daß wir beim Baden gern auf die tiefliegenden Kähne kletterten und kurz mitfuhren, was aber von den Eignern nicht gern gesehen wurde.

Als schwimmtauglich für den Kanal galt, wer in einem Zuge die 25 m bis zum andern Ufer schaffte. Und besonders mutige sprangen sogar von der Mitte des Brückenbogens in den Kanal, das waren ca. 10 m.

Auch herrschte damals am Kanal eine rege Angeltätigkeit. Zwei der begeisterten Angler waren Bürgermeister Pfoch und Friseur Meier. Der Angelverein veranstaltete jedes Jahr einen Fischzug, der meist im Hafenbecken stattfand und von Steinhuder Fischern mit einem Schleppnetz quer durch den Kanal durchgeführt wurde. Auch ein Boot brachten sie mit. Das war immer eine sehr feuchte Angelegenheit, wenn die ca. 25-50 kg Weißfische, Rotfedern, Brassen, Schleien, Barsche, Hechte und auch mal Karpfen und Aale an Land gezogen wurden, wobei die „beiden Eßmänner“ und die beiden Bäcker (Brösche und Zippler) die Hauptakteure waren. Die Fische, die die Vereinsmitglieder nicht wollten, wurden an Ort und Stelle verkauft. Bis Mittag war die Attraktion meist beendet.

Ich erinnere mich an ein sehr aufregendes, fast tragisches Erlebnis, was etwa 1930 passierte.

Es war Schützenfest und sehr heiß. Da kam unsere Clique W. Eßmann, L. Lampe, W. Bölke -damals Bäckergeselle bei Zippler- und ich auf die Idee, uns im Kanal mal richtig abzukühlen. Eine Nacht hatten wir schon durchgefeiert. Also, Badezeug auf die Räder geklemmt und los ging`s zur Badeanstalt und nichts wie rein in den Kanal. Es war keiner weiter da.

Da sahen wir zu seinem Glück, daß Wilhelm Eßmann plötzlich wegsackte und zwar da, wo das Ufer dann plötzlich steil abfällt und man nicht mehr stehen kann. Daß er nicht schwimmen konnte, hatten wir im Moment nicht bedacht. Und das Schlimmste war, daß er in seinem Schock immer mit dem Kopf nach unten ruderte, und vom Ufer weg. Es gelang uns dreien nur mit letzter Kraft -er war der Größte von uns- ihn in Richtung Ufer aus dem Wasser zu ziehen.

Er war nicht mehr ansprechbar. In unserer Not legten wir ihn über`s Knie, Kopf nach unten, und drückten kräftig auf den Rücken in der Hoffnung, das Wasser aus dem Bauch zu pressen. Gottlob hatten wir drei Erfolg, er fing an zu erbrechen und kam wieder zu sich. Dieses Erlebnis hat uns so geschockt, daß wir uns gelobten, niemals jemanden etwas davon zu erzählen.

Wir haben Wilhelm Eßmann nie wieder gefragt, mit zum Baden zu gehen und das Ereignis blieb unser Geheimnis. Es erfuhr niemand davon.

Fischfang im Kanal, Heinrich Hinse, Bergtrift berichtet:

Der Angelverein pachtete in den 20er Jahren etwa 3 km der Wasserstraße, von km 128,14 (alte Landesgrenze Schaumburg-Lippe/Grafschaft Schaumburg) bis einige Meter hinter „Piepers Schleuse“ in Auhagen.

Im Oktober jeden Jahres fand ein sogenannter „Fischzug“ statt. Von Steinhuder Fischern wurden große Netze ausgeliehen. Diese hatten etwa die Größe des Hafenbeckens.

Zu der Zeit war der Mittellandkanal noch sehr fischreich. Man holte bis zu 12 Zentner Fisch ein. Es waren Brassen, Schleien, Karpfen, Aale und etliche andere Fischarten. Bäckermeister Emil Brösche brachte seine Waage mit zum Hafen und verkaufte den Fisch zu 30 Pf. das Pfund.

Selbstverständlich wurde der Fisch auch kräftig begossen! Bei einem dieser Feste war der damalige Streckenleiter Grotewohl so betrunken, daß er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und vornüber ins Wasser fiel. Da er sehr korpulent war hatte man große Mühe ihn wieder gesund an Land zu holen. Mit Beginn des Krieges fand der Fischzug nicht mehr statt.

Die Badeanstalt auf dem Gelände des Hafens war mit Baumstämmen zum übrigen Hafenbecken abgegrenzt. Es gab ein Schwimmer- und ein Nichtschwimmerbecken. Im Bereich des Nichtschwimmerbeckens wurde einfach ein Holzboden ins Wasser gelegt, den man absenken konnte. Er war etwa 10 x 10 m groß.

Lehrer Reese ging mit den Schülern der oberen Jahrgänge (5 – 8 Klasse) zu Badeanstalt. Frau Meyer beaufsichtigte nachmittags immer die Badeanstalt. Die Eintrittskosten betrugen 50 Pf. (Zu damaliger Zeit eine große Summe!) Es badeten fast nur Kinder und Jugendliche. Apotheker Fabricius ging auch regelmäßig baden. Außer ihn sah man kaum einen Erwachsenen.

Eine Umkleidekabine gab es selbstverständlich auch, 4 kleine Zellen (zwei für Mädchen, zwei für Jungen) von etwa 1.20 x 1.20 m. Ein paar mutige Jungen schwammen natürlich auch an die vorbeifahrenden Schleppkähne und kletterten auf. Sie fuhren ein paar hundert Meter mit und sprangen wieder ins Wasser. Das war zwar streng verboten, aber man machte es doch immer wieder. So konnte man seinen Mut vor den Anderen beweisen.

Viele Schiffe waren mit Kohle oder Koks beladen, einige transportierten auch Öl. Es wurden auch viele Hölzer geflößt. Diese kamen von Minden. Hier angekommen, wurden sie von Holzhändler Brinkmann aus Auhagen oder vom Zimmermeister Stelling aus Sachsenhagen mit Pferd und Wagen abgeholt.

Abb.: Fischzug auf dem Kanal. Quelle: Angelsport-Verein, Margret Lange geb. Harste

Der jährliche Fischzug, Anna Harste erzählt:

Dann gab es auch noch den jährlichen Fischzug. Im Jahre 1926 hatte unser Vater und einige andere Herren im Ort den Angelverein gegründet. Im Herbst eines jeden Jahres, bis kurz vor dem zweiten Weltkrieg, wurden die Boote von Steinhude mit Pferdefuhrwerken geholt. Zwei Netze wurden gespannt, einmal an der Sachsenhäger und einmal bei der Niedernholzer Brücke. Die Netze wurden gegen Mittag eingeholt. Es befanden sich sehr viele Fische darin (Aale, Rotfedern, Weißfische, Zander, Schleien, Brassen und Hechte).

Die gefangenen Fische kamen in große Bottiche. Zuerst bekamen die Angehörigen der Angelvereinsmitglieder ihre Fische. Wir haben uns immer 2 Zander und 2 Hechte geholt. Die restlichen Fische konnten dann Sachsenhäger und Auhäger Bürger kaufen.

Wir hatten eine Badeanstalt am Hafen. Diese wurde etwa 1926 gebaut. Bademeister waren der Gastwirt Wilkening für die Schwimmer und Frau Meier (Frisör) für die Nichtschwimmer. Es gab auch einen Sprungturm. Wenn man seine Schwimmprüfung abgelegt hatte, durfte man im Kanal schwimmen. Es gab auch einige mutige Jungen. Heinrich Leimbach sprang sogar vom Brückengelände.

Auf der Strecke, Herr Behrens berichtet:

Der Arbeitslohn der Streckenarbeiter wurde früher zweimal monatlich ausgezahlt. Am 15. jeden Monats wurde ein Abschlag gezahlt. Zum Monatsende wurde der Restlohn ausgezahlt. (Der Lohn eines Arbeiters betrug im Jahre 1914 stündlich 0.35 M)

Der Zahlstellenleiter brachte die Löhne und Gehälter immer direkt zu den Männern. Es wurde in bar ausgezahlt. Aus diesem Grunde trug der Zahlstellenleiter immer eine Dienstpistole mit sich.

Die Wohnschiffe der Streckenarbeiter wurden zu der Zeit immer mit Petroleum beleuchtet. Während der Herbst- und Wintermonate wurde einer der Arbeiter verpflichtet an Sonn- und Feiertagen in der Abenddämmerung die Petroleumlichter anzuzünden, damit diese Schiffe vom durchfahrenden Schiffsverkehr rechtzeitig gesehen wurden.

Folgende Männer waren beim Preußischen Wasserbauamt beschäftigt:

Sachsenhagen:  Ludwig Harste, Dühlfeld (Vorarbeiter) von 1915 bis 1934

August Obenauf, Gödenstraße

Ansaß Baltschiß, Mittelstraße

Wilhelm Hardekopf

Herbert Almstedt, Hinterm Friedhof

Wilhelm Behrens, Breslauer Straße v. 1.04.1944 bis 31.08.1992

Auhagen: August Behrens, Nr. 100 v. 1.11. 1914 bis 31.08.1954

Wilhelm Heidemann, Auf der Insel

Wilhelm Behrens, Kurze Straße

Hermann Hoffert

Richard Welz

Heinz Menzel

Hans Cuno

Kanalgeschichten, Elfriede Meyer, Auf den Rähden, erinnert sich:

Die Kanalbrücke in Sachsenhagen wurde Anfang April 1945 gesprengt. Herr Schlüter setzte die Bevölkerung etwa 1 – 1 1/2 Jahre mit seinem Boot über. Dann begann man mit dem Bau einer neuen Brücke.

Im Hafen gab es auch eine Badeanstalt. Diese war durch einen Holzzaun von der übrigen Anlage getrennt. Die Auhäger Schüler gingen gemeinsam dort mehrmals jährlich zum Baden. Frau Meyer (Frisör) hatte dort Aufsicht.

An der Brücke in Niengraben stand ein Haus. Dort wohnte Streckenleiter Dornbusch.

Vor dem Krieg wurden auch Hölzer zum Hafen geflößt. Das Holz wurde von den Zimmermeistern Brinkmann, Auhagen und Stelling, Sachsenhagen mit Pferd und Wagen abgeholt.

Abb.: Holzfloß am Sachsenhäger Kanalhafen, Quelle: Brigitte Heck geb. Rübsamen

Einmal im Jahr fand ein sogenannter Fischzug statt. Der Fischereiverein von Sachsenhagen fuhr mit Booten und Netze aus. Nachmittags wurden die gefangenen Fische von Bürgern aus beiden Orten gekauft.

Badeerlebnisse, Heinrich Kolbe berichtet:

Ein paar Erinnerungen aus meiner Schulzeit: In den Sommermonaten gingen wir entweder mit Lehrer Reese oder Lehrer Becker zur Badeanstalt (im Sachsenhäger Hafen). Während Frau Meier (Friseur) die Aufsicht der Kinder übernahm konnten die Lehrer sich ausruhen. Es gab einen Bereich für Nichtschwimmer und einen für Schwimmer. Sie waren durch Hölzer getrennt. Ich und einige andere Jungen hatten uns ein Floß aus Hölzern gebaut. Wir hielten uns häufig darauf auf.

Wenn wir wieder einmal dort saßen und einer war unter uns der nicht schwimmen konnte rückten die Schwimmer auf eine Ecke des Floßes, so daß die andere Ecke aus dem Wasser schaute. In diesem Moment sprangen wir ins Wasser. Das Floß mit dem Nichtschwimmer schlug aufs Wasser auf und er fiel hinein. So brachten wir einigen Jungen das Schwimmen bei. Es war immer sehr lustig. Wenn wir mit der Schule zum Schwimmen gingen war es kostenlos, sonst musste man immer Eintritt zahlen. Aus diesem Grunde gingen wir ohne Aufsicht baden.

Wir schwammen auch öfter auf vorbeifahrende Schleppkähne oder deren kleine Beiboote. Die Eigner schimpften häufig oder schickten ihre Hunde hinter uns her. Dann sprangen wir schnell ins Wasser. Ich konnte schon als 5-jähriger Junge schwimmen. Habe es in der Aue bei Rust gelernt. Einige Kinder lernten auch an einer sogenannten Angel schwimmen.

Am Kanal, Ilse Sievers erinnert sich:

Im Jahre 1941 ging unsere Schulklasse (Schule Auhagen) mit Lehrer Bauer zum Baden. Ich konnte nicht schwimmen. Aus diesem Grunde musste ich im sogenannten Nichtschwimmerbereich schwimmen. Er hatte eine ungefähre Größe von 7- 8 Metern. Man musste bis zu einem Baumstamm schwimmen, aber ich schaffte es nicht und ging unter. Von einem Mädchen, welches gerade in Auhagen zu Besuch war, wurde ich aus dem Wasser geholt. Ich wäre sonst sicherlich ertrunken! Seit dieser Zeit habe ich große Angst und habe nie schwimmen gelernt.

Die Sachsenhäger Brücke wurde Anfang April 1945 gesprengt. Wir mussten unser Haus aus Sicherheitsgründen verlassen. So gingen wir zur Schwester (G. Conradi) meines Mannes. Gegen Mittag wurde die Brücke gesprengt, dabei wurde das Haus arg beschädigt. (Risse in Hauswänden, zerbrochene Scheiben u.a.) Die gesprengte Brücke lag in etwa zu 3/4 in der Fahrrinne. Das Wasser war durch die Sprengung des Hebewerkes in Minden größtenteils ausgeflossen. Ein Teil der Trümmer wurde in kurzer Zeit geborgen, so daß die Schifffahrt wieder fahren konnte.

Die Herren Wesemann und Schlüter setzten die örtliche Bevölkerung, welche nach Lindhorst oder Stadthagen musste, mit einem Boot über. Man begann im Sommer 1946 die Brückenreste zu beseitigen, und eine neue Brücke wurde wiederaufgebaut.

Es gab einen einheimischen Binnenschiffer. Er hieß Wilhelm Reineking und kam aus Auhagen.

Die Schiffer legten im Bereich „Piepers Schleuse“ ihre Schiffe an um bei uns Fleisch und Wurstwaren einzukaufen oder einfach nur ein Bier in unserer Gaststätte zu trinken.

Aus dem Schriftverkehr: Empörung über Preise

Königl. Kanalbauamt      Wunstorf den 5. Sept. 1908 Wunstorf

Herrn Bürgermeister Reinecke Sachsenhagen

Von Reichwage (Ratskeller) und den beiden Wirtschaften von Reineckes (Gasthaus zur Post und Gasthaus zum goldenen Engel) sind Angebote über Kost und Logie eingegangen, bei denen das Schönste die Preise sind.

Reichwage bietet an für einen Herrn Regierungsbaumeister oder Dipl. Ing. 100.00 M die Reineckes für einen Techniker oder Schreiber 70.00 M!

Das sind Preise, wie sie in Hannover gezahlt werden. Ich denke gar nicht daran meine Herren zu- veranlassen derart teure Quartiere aufzunehmen. Hier zahlen die Techniker für recht gute Quartiere 55.00 M!

Gezeichnet Schaper

Aus dem Schriftverkehr: Die Stadt beantragt den Hafenausbau

An die Königliche Kanalbaudirektion Hannover, Sachsenhagen, den 5. August 1908

Die Stadt Sachsenhagen beabsichtigt nahe der Landstraße Sachsenhagen – Lindhorst nördlich am Kanal eine Ausbuchtung als Anlegerhafen für 2 Kahnlängen für sich herstellen zu lassen.

Gewünscht wird, daß diese Anlage außer der Böschungsbefestigung, die die Stadt selbst aus Landsteinpflasterung herzustellen gedenkt. Mit den Arbeiten für den Kanal durch den Fiskus mit ausgeschrieben und ausgeführt wird. Selbstverständlich erklärt die Stadtvertretung die auf sie entfallenden Mehrkosten dafür zu tragen.

Der Magistrat, Reinecke

Aus dem Schriftverkehr: Die Hinterlegung von Ersparnissen

Königliches Kanalbauamt            Wunstorf, den 28. Jan. 1908 Wunstorf

An den Herrn Bürgermeister Reinecke, Sachsenhagen

Für die demnächst zu beschäftigenden zahlreichen Kanalarbeiter ist es erwünscht, daß ihnen Gelegenheit geboten wird, Ersparnisse von ihren Lohnbezügen hinterlegen zu können.

Für diesen Zweck würden die öffentlichen Sparkassen in erster Linie in Frage kommen. Um mich über die Organisation der dortigen städtischen Sparkasse informieren zu können bitte ich um bald gefl. Übersendung von zwei Exemplaren des gültigen Status.

Falls diese nicht kostenfrei abgegeben werden, bitte ich um gleichzeitige Angabe der Kosten.

Schaper

Aus dem Schriftverkehr: Bau eines Bürohauses für den Kanalbau

An den löblichen Magistrat z.H. des Herrn Bürgermeister Reinecke,             Sachsenhagen, den 9. August 1907

Da im Jahre 1908 mit dem Bau des Kanals in unserer Nähe begonnen wird, so ist der Herr Regierungsbaumeister Fiedler, zurzeit wohnhaft in Wunstorf von der Kanalbaubehörde dazu bestimmt die Überwachung des Baues von hier aus zu übernehmen.

Zu diesem Zwecke ist eine Wohnung des Beamten, 3 Büroräume und eine Wohnung des Bürodieners mit mindestens 3 Räumen erforderlich.

Nach Aufforderung dieses Beamten würde ich mich verpflichten ein dem Zweck entsprechendes Gebäude neu aufzubauen, wenn die Stadt Sachsenhagen, welche jedenfalls ein größeres Interesse an dieser Sache haben wird, einen preiswürdigen der Lage angepassten Bauplatz beschafft

Ergebenst W. Stelling

Aus dem Schriftverkehr: Einspruch gegen Hagenbrücke

An das Königliche Landratsamt zu Rinteln,              Auhagen, den 7. Juli 1908

In Bezug auf die Auslegung des Mittel-Land-Kanal-Projekts erheben die unterzeichnenden Auhäger Besitzer hiermit Einspruch gegen die Brückenanlage im Hagenwege, wobei unsere Interessen nicht genügend berücksichtigt sind.

Auch erheben wir Einspruch gegen die Dückeranlage, sofern uns nicht Garantie „für“ Stau und Hochwasser geleistet wird.

gezeichnet: Pieper Nr. 44, Köster Nr. 41, Koberg Nr. 77, Brinkmann Nr. 74, Völker Nr. 292, Schrage Nr. 3, Mensching Nr. 47, Bock Nr. 89, Thürnau Nr. 79,Ehlers Nr. 48, Witte Nr. 18, Behrens Nr. 84 (Die Nummern hinter den Namen sind die alten Hausnummern von Auhagen).

100 Jahre Mittellandkanal. Mitarbeit: Anne Beckmann, Heinz Aue. Zusammenstellung des Textes und Gestaltung: Theodor Beckmann

Für die Beschaffung und Überlassung von Fotos danken wir: Eckhard Szalies, Alexandra Blume, Karl Nelz, Willi Bellersen, Brigitte Heck, Stadt Sachsenhagen u.a.

Sachsenhagen im August 2016