Das Amthaus zu Sachsenhagen

Entstehungsgeschichte und geographische Lage

Etwa um das Jahr 1253 baut Herzog Albrecht I. von Sachsen eine Wasserburg im Dreieck der Einmündung der Faulen Riehe in die Sachsenhäger Aue, um seine Herrschaftsansprüche zu festigen. Der Übergang auf dem Weg von Hameln nach Nienburg und Verden über das Flusssystem der Leine ist hier über die Sachsenhäger Aue noch gefahrlos möglich, bevor die Aue weiter östlich Richtung Leine immer breiter wird (HUSMEIER Geschichtliches Ortsverzeichnis für Schaumburg, Gudrun Husmeier, Verlag für Regionalgeschichte, (SchbgStd 68) Bielefeld 2008, S 493, 1253: Vergleich zwischen Herzog Albrecht von Sachsen und Bischof Wedekind von Minden: Übertragung der Burg an den Bischof und Verleihung als Lehen an den Herzog. In diesem Vertrag von Hitzacker wird die Burg Sachsenhagen erstmals genannt).

Abb.: Detail des Schlossareals mit Amthaus (links) und Brunnen in Bildmitte. Stadtplan von Sachsenhagen mit Schloss um das Jahr 1700 südlich des Stadtkernes (Auszug aus: Carte oder abriß eines theils von dem Ampt Sachsenhagen … gemessen und in Riß gebracht in anno 1714, Maßstab 1 zu 3000, in: Digitaler "Historischer Atlas Schaumburger Land 2008" 22 Kartenwerke von 1714 bis 2008, Herausgeber Landkreis Schaumburg)

Das Amthaus ist ein Teil der Burg/Schlossanlage Sachsenhagen. Das heutige Erscheinungsbild resultiert aus der Umwandlung der Wasserburg in ein Schloss um 1600 durch Graf Ernst von Holstein Schaumburg. Der „Schlossturm“ auch „Bergfried“ genannt“ sowie das „Amthaus“ und ein Nebengebäude „Zeughaus“ sind noch vorhanden.

Das heute als Wohnhaus ausgebaute Amthaus liegt westlich des Turmes und hatte ursprünglich drei Geschosse. Im Obergeschoss gab es eine Verbindung zum Turm (SIEBERN Heinrich, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel. Band III, Kreis Grafschaft Schaumburg, Heinrich Siebern, Dr. H. Brunner, Marburg, N.G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung, 1907, S. 103). Das ehem. Zeughaus östlich des Turmes mit Zimmern und Kellergefängnis wird privat als Wohnhaus genutzt.

Die restlichen Gebäude des Schlosses, die Zugbrücken sowie die nördlich gelegenen Befestigungsanlagen von etwa 80×50 Metern, sind vermutlich nach dem dreißigjährigen Krieg abgetragen worden. Die Fundamente der ehemaligen Stallgebäude und der Kapelle sind noch teilweise erhalten.

Die südliche Graft (Faule Riehe) sowie die nördliche Graft (Sachsenhäger Aue) sind als Bach erhalten. Die restlichen direkt umlagernden Wassergräben und Graften sind mit Abraum allmählich zugeschüttet worden.

Der innere Burgbereich und die Grundflächen der ehemaligen Gebäude werden heute durch private Kleingärten genutzt. Der nördliche Burgbereich „Schlosswiese“ (ehemalige Bleichwiese) wurde im Jahr 2012 zu einer städtischen Parkanlage umgestaltet.

Abb.: Schlossareal um 1905 mit den heutigen baulichen Resten. Links das Amthaus in privaten Besitz, dann der Turm in städtischem Besitz und rechts das ehem. Zeughaus mit Zimmern und Kellergefängnis – heute als Wohnhaus ausgebaut (privat). Das Wohnhaus am rechten oberen Bildrand wurde auf dem Burggelände 1880 neu erbaut. Im Vordergrund die Gärten.

Im hessischen Staatsarchiv Marburg ist ein Grundriss der Schlossanlage aus dem Jahre 1677 archiviert worden. Die folgende Rekonstruktion wurde nach diesem Grundriss gezeichnet (Hessischen Staatsarchiv Marburg: „Geheimer Rat, Nr. 8937, Haus Sachsenhagen mit Beschreibung und Abrissen 1678).

Abb.: Rekonstruktion der Schlossanlage aus 1677 (Zeichnung: Wolfgang Braun Burg Sachsenhagen, Rekonstruktion Schwarzweiß, Zeichnung: Wolfgang Braun, http://burgrekonstruktion.de/main.php?g2_itemId=3962). Der Vorbereich der Burg könnte wie dargestellt ausgesehen haben. Der mittlere und hintere Burgbereich entspricht in etwa dem alten Plan.

Beschreibung des Amthauses

Das jetzt mit einem Walmdach geschlossene zweigeschossige Amthaus hatte früher drei Geschosse und stand im oberen durch einen über dem Tor angelegten Gang mit dem Turm in Verbindung. Das von einem kleinen antiken Stilelement (Ädikula) umrahmte, rundbogige Portal zeigt dieselbe Flächenverzierung der Quader wie die Tür des Treppenturmes, selbst die Kannelierung der toskanischen Säulen ist von ähnlich behandelten Rustikaringen unterbrochen. Die dem Turm zugekehrte Seitenwand ist durch einen Erkervorbau belebt; die rechteckigen Fenster sind durch einen Mittelpfosten geteilt (SIEBERN Heinrich, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Kassel. Band III, Kreis Grafschaft Schaumburg, Heinrich Siebern, Dr. H. Brunner, Marburg, N.G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung, 1907).

Das Außenmauerwerk besteht aus Sandsteinquadern. Die Innenwände sind ebenfalls in massivem Mauerwerk ausgeführt. Die Holzdecken ruhen auf Eichenbalken. Das Portal ist in etwa mittig auf der Südwestseite mit Zugang über den ehemaligen Schlosshof. Die Wohnräume befinden sich auf der Ostseite, während westlich die Wirtschaftsräume sind. Das Mauerwerk auf der nördlichen Rückseite ist aus wehrtechnischen Gründen stärker ausgeführt und dort ist kein Zugang zum Haus vorhanden (Grundriss siehe Anlage). Die Nordostecke der Aussenwand ist mit einer massiven Stein-Stützkonstruktion versehen. Auf allen Seiten des Walmdaches befinden sich Dachgauben, die wohl erst um ca. 1900 eingebaut worden sind und den Dachraum belüften. Das Haus war auf zwei Seiten, der West- und Nordseite, direkt von Wassergräben umgeben. 

Abb.: Amthaus um ca. 2009 vor der Renovierung (Südwestseite)
Abb.: Rückseite des Amthauses (Nordseite)
Abb.: Zeichnung Portal des Amthauses
Abb.: Detail (oben links) Portal des Amthauses

Chronik des Amthauses

(alte Hausnr. 122, neue Hausnr. Schlossgang 4) (Hausarchiv der Stadt Sachsenhagen)

1400 Es entstehen die ersten Ämter aus mittelalterlichen Burgbezirken. Der Sitz des Amtes ist in der Regel eine Burg. Ein Amt besteht aus mehreren Dörfern, die wirtschaftlich und mit Dienstleistungen und Gerichtsbarkeit von der Burg abhängig sind, gelten als deren Zubehör. Das Amt Sachsenhagen erreicht mit den Dörfern Auhagen, Düdinghausen, Bergkirchen, Windhorn, Schmalenbruch, Wölpinghausen, Wiedenbrügge und durch Anfügung der westlichen Waldgebiete (Buschmanns Landwehr, Spießingshol) sowie der Orte Lindhorst, Niedernholz, Nienbrügge, Pollhagen, Wiedensahl und Kuhlen seine größte Ausdehnung (HUSMEIER Geschichtliches Ortsverzeichnis für Schaumburg, Gudrun Husmeier, Verlag für Regionalgeschichte, (SchbgStd 68) Bielefeld 2008, S 492).

1571 verpfändete Graf Otto IV. von Holstein-Schaumburg die Burg Sachsenhagen an Hermann von Mengersen. 1582 wurde Hermann von Mengersen auch gräflicher Landdrost und übernahm 1584 das Wasserschloss Hülsede.

1596 -1601 Die Burg Sachsenhagen wird Residenz des Grafen Ernst zu Holstein-Schaumburg und seiner Frau Hedwig von Hessen-Kassel und zum Schloss ausgebaut.

1622 Das Erbe der Grafschaft Schaumburg tritt nach dem Tode des kinderlosen Fürst Ernst die Gemener Linie der Schaumburger mit Graf Jobst Hermann an. Graf Jobst Hermann muss noch seinen Onkel Graf Hermann (geb. am 15.9.1575, gest. 15.12.1634 in Sachsenhagen, † Mausoleum Stadthagen (BEI DER WIEDEN, Helge: Schaumburg-Lippische Genealogie: Stammtafeln der Grafen -später Fürsten-zu Schaumburg -Lippe bis zum Thronverzicht 1918)) aus der Gemener Nebenlinie abfinden. Graf Jobst Hermann überträgt die Ämter Sachsenhagen, Hagenburg, Bokeloh, Mesmerode und Lauenau 1622 an Graf Hermann. Er heiratet am 26.2.1609 Katharina Sophia, (geb. am 6.5.1577, gest. 18.9.1665 in Sachsenhagen, † Mausoleum Stadthagen) Tochter des Herzog Otto II. zu Braunschweig-Lüneburg-Harburg. Er residiert auf Schloss Sachsenhagen im Amthaus bis zu seinem Tode im Alter von 59 Jahren. Seine kinderlose Witwe Katharina Sophia wohnt noch 31 Jahre lang trotz der Teilung der Grafschaft im Jahre 1647, bis zu ihrem Tode im hohen Alter von 88 Jahren am 18.9.1665 weiter im Amthaus. Das Schloss übernimmt danach der hessische Landgraf.

1750 Amtmann Droste von Mengersen wohnt im Amthaus.

1877 Das Haus wird mit der Domäne von der Stadt gekauft und an den Leineweber Ludwig Himstedt wiederverkauft.

1889 Der Straßenbahnfahrer Roland Keppler bewohnt das Haus.

1899 Wilhelm Dahmer von Beruf Naturheilkundiger ist Mieter im Haus.

1933 Es wird ein Mädchen-Jugendlager eingerichtet und 1935 für Knaben als Landjahr-Lager genutzt.

1946 dient das Amthaus als Altenheim der Zweigstelle des Altenheims Krainhagen unter Leitung durch Schwester Elisabeth bis 1955. Anschließend wird das Haus von der Stadt vermietet.

1967 Das Amthaus wird von der Stadt an Familie Hermann und Ella Mundhenk verkauft und zeitweise mit deren Kindern Waltraut und Wolfgang privat zu Wohnzwecken genutzt.

1978 Das Amthaus wird von Familie Müller-Reißmann zusammen mit der Mutter, Frau Marlies Flesch-Thebesius, gekauft. In den nächsten Jahren wird das Amthaus innen gründlich renoviert. Im Haus werden drei Kachelöfen eingebaut. Die Eingangstür wir durch eine Eichentür mit großzügiger Verglasung ersetzt.

1986 Der wegen Baufälligkeit zugemauerte Erker wird unter Mitarbeit des Denkmalschutzes neu aufgerichtet und mit Fenstern versehen. Im Eingangsflur werden die Treppen und Türen bearbeitet. Das tragende Gebälk im Wohnraum wird sichtbar gemacht, Fenster ersetzt, neue Eichen-Fussböden verlegt, und die Haustechnik erneuert.

Abb.: Erker vor der Renovierung im Jahr 1986
Abb.: Erker nach der Renovierung

2006 Vor dem Amthaus an der Südwestseite wird das Erdreich um ca. 40 cm abgetragen. Es werden historische Sandsteinplatten aus der Kirche Sachsenhagen verlegt.

2008 Der Eingangsbereich zum Amthaus wird mit einem Schmiedezaun neu eingefasst.

Abb.: Amthaus nach der Renovierung mit schmiedeeisernem Zaun
Abb.: Amthaus nach der Renovierung, Süd-Ostseite mit Erker

2009 Da die Westseite immer mehr absackt, wird ein umfangreicher Renovierungsplan vom Bauplanungsbüro Dipl.-Ing. Manfred Röver ausgearbeitet. Es wird Fördergeld für die Sanierung beantragt. Die komplette Sanierung des historischen Gebäudes wird auf etwa 50.000 Euro veranschlagt. Die Maßnahmen werden durch das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege und das Landesamt für Geoinformationen und Landentwicklung Niedersachsen begleitet und überwacht.

Zunächst wird die gesamte Südseite mit Holzstämmen provisorisch abgestützt. Der Baugrund wird durch vier bis zu 6 m tiefe Bohrungen begutachtet. Der „Schluff“ ist etwa 4,50 m dick, bis auf festen sandigen/tonigen Boden gestoßen wird.

2011 1. Mai, Beginn der Sanierungsarbeiten. Die Renovierung des Amthauses wird in einem Monat realisiert.  

Die hannoversche Firma Spezialtiefbau Stump saniert die Grundmauer und verbessert die Stabilität der Wände. Durch zehn Bohrlöcher, die bis zu fünf Meter schräg in die Tiefe führen, wird mit einem Druck von 60 Bar durch Niederdruckinjektion eine Zement/Betonlösung ins Erdreich und ins Fundament gepumpt und so der Untergrund stabilisiert.

Abb.: Bohrungspunkte der Niederdruckinjektion
Abb.: Längsschnitt der Bohrung

Das Mauerwerk wird an zahlreichen Stellen angebohrt und mit flüssigem Zement – durch Röhrchen geleitet – verfestigt. Das Fundament wird dadurch stabilisiert und die Absenkungen kommen zum Stillstand.

Abb.: Injektionspunkte im Mauerwerk
Abb.: Die renovierte Südwestfassade im Jahr 2015

Die Steinrestaurierung / Steinmetzwerkstatt Schmalstieg aus Burgwedel erneuert die Fensteröffnungen und die Säulen und setzt einen neuen, breiteren Türsturz aus Sandstein ein. Die Verbindungen werden nach traditioneller Technik durch Blei ausgegossen. Eine breitere Tür für die Nebenräume der unteren Etage wird eingesetzt.

2015 10. Febr., Auszeichnung durch den Schaumburg-Lippischen Heimatverein für besonders gut erhaltene und renovierte Gebäude im Landkreis Schaumburg durch eine Ehrenplakette.

Abb.: Schlossareal von Südwest, Luftaufnahme in 2014 (Bildausschnitt aus Schaumburger Nachrichten vom 11.10.2014, In Schaumburg Zuhause, S 43)
Abb.: Auszeichnung durch den Schaumburg-Lippischen Heimatverein im Jahr 2015, v.l.n.r.: Heinz Brunkhorst, Claudia Müller- Reißman, Hergen A. Henningsn