Geschichte der Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen

Einführung und Kurzfassung:

Die Wildtier- und Artenschutzstation Sachsenhagen ist weithin bekannt und ein „Aushängeschild“ für Sachsenhagen. Dies veranlasste den Heimatverein, sich einmal mit der Entstehung und der Geschichte dieser Station zu befassen.

Rund zwei Kilometer westlich der Stadt liegt der 19,3 ha große Stadtwald, den die Stadt bei der Aufteilung der Feldfluren Ende des 19. Jahrhunderts erhielt. Die Öffentlichkeit wurde Mitte der 1980 -iger Jahren überrascht, dass im Stadtwald ein Depot der NATO (Bundeswehr) angelegt werden soll.

Das Korps Depot 175 ging im Jahre 1987 in Betrieb. Nach Ende des Kalten Krieges, und der daraufhin einsetzenden Entspannung und Abrüstung, entfiel nach nur wenigen Jahren der Nutzung der Sinn des Depots (Manfred Tegge, http://www.relikte.com/nds_korpsdepot/index.htm,  Copyright: © by „Relikte in Niedersachsen und Bremen“).

Die Stadt Sachsenhagen kaufte im Jahr 2001 das ehemalige Munitionslager im Stadtwald und verpachtet dieses am 1.10.2001 an den Verein Wildtier- und Artenschutzstation e.V.

Abb.: Luftbild der Wildtierstation am unteren linken Bildrand, die Bunker in der linken Bildmitte, , rechts unten die AWS, Quelle: Google Maps
Abb.: An der Frontseite tragen die Bunker einen Tarnanstrich
Abb.: Die heutigen Bewohner eines der Bunker
Abb.: Lageplan der Wildtierstation (https://www.wildtierstation.de/ueber-uns.html)

Die Korpsdepots in Niedersachsen

(Quelle Manfred Tegge, http://www.relikte.com/nds_korpsdepot/index.htm,  Copyright: © by „Relikte in Niedersachsen und Bremen“)

Ein Korps (franz. corps, „Körper(schaft)“; von lat. corpus, „Körper“) ist ein militärischer Großverband des Heeres aus mehreren Divisionen beziehungsweise Brigaden und zusätzlichen Korpstruppen. Er besteht aus mehreren Waffengattungen.

Die im Ernstfall direkt zur Verteidigung an der Grenze zur DDR eingeplanten Korps der NATO-Partner besaßen eine eigene Depot-Organisation, über die sie ihren logistischen Bedarf abdecken konnten. Es waren Lager für Ausrüstungen, Treibstoff und Munition vorhanden. Das Besondere dieser Depots: sie sind in einem gestaffelten System im rückwärtigen Gebiet der eigenen Verteidigungsabschnitte angesiedelt. So konnte bereits zu Friedenszeiten ohne Schwierigkeiten erkannt werden, welche Nationen an welchem Abschnitt eingesetzt werden sollten. Zwischen Bodenteich und Braunschweig lag der Bereich des I. Deutschen Korps (Münster).

Das Korpsdepot 175 lag am Südrand des Verteidigungsabschnitts des I. Korps der Bundeswehr. Die Abschnittsgrenze lief entlang der von West nach Ost verlaufenden Autobahn A2.

Das Korpsdepot 175 Sachsenhagen

KorpsDp 175 war eine zweigeteilte Dienststelle. Es wurden ein Munitions-Lagerbereich und räumlich getrennt ein Betriebsstoff-Lagerbereich angelegt. Beide lagen rund 1,5 km auseinander. Der Namensgeber des Depots, die Stadt Sachsenhagen, befindet sich etwa 3,5 km östlich. Die Anlage ging in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre in Betrieb und war somit eines der erst zum Ende des Kalten Krieges geschaffenen Korpsdepots.

Nördlich der Kreisstraße 33 von Sachsenhagen nach Pollhagen, wurde in einem Waldgebiet der Munitions-Bezirk errichtet. An dessen Südrand entstand ein Administrationsbereich mit Wache, Verwaltung und Betriebsgebäuden. Nördlich folgte das eigentliche Munitionslager. Aus Sicherheitsgründen war dieser Teil durch ein zusätzliches Tor abgetrennt. Hier hat man zwei Reihen zu je neun und eine Reihe mit acht Munitionslagerhäusern (MLH) errichtet. Diese Bauwerke wurden aus Sicherheits- und Schutzgründen in massiver Betonbauweise gehalten. An der Front befindet sich ein Stahltor. Die drei anderen Seiten und das Dach waren mit einer Erdschicht abgedeckt. Diese Bauweise entsprach den NATO-Standards für solche Lager. Die hier vorhandenen Bunker hatten in der höchsten Gefahrenklasse 1.1 (Massenexplosionsgefährlich) eine Kapazität von jeweils 30 Tonnen.

Unmittelbar am Mittellandkanal ist der Betriebsstoff-Bezirk gebaut worden. Die Bezeichnung solcher Lager im NATO-Sprachgebrauch lautete POL-Depot, eine Abkürzung von Petrol – Oil – Lubricants. In Sachsenhagen wurden mehrere große Erdtanks als Lagerbunker errichtet. Dazu kam ein größerer Lagerschuppen für Kanister-Paletten. Im vorderen Bereich der Liegenschaft waren wieder die administrativen Gebäude angesiedelt.  Der POL-Bereich konnte zu einem Teil von landwirtschaftlichen Betrieben übernommen werden.  Das Gelände Ist von einem ortsansässigem Landwirt gekauft worden, der dort eine Biogasanlage errichtete. Die Lagertanks wurden zur Verhinderung einer Explosionsgefahr mit Stickstoff befüllt. Auch der Munitions-Bereich ist zunächst landwirtschaftlich genutzt worden.

Seit 2006 betreibt die Mensching GmbH & Co. KG eine eigene Biogasanlage zur Gewinnung von Strom aus tierischen Abfallprodukten wie (Gülle) und Mais (http://www.mensching.de/index.php/landwirtschaft-leistungen/biogasanlage).

Das Korpsdepot 175 ging im Jahre 1987 in Betrieb. Nach Ende des Kalten Krieges, und der daraufhin einsetzenden Entspannung und Abrüstung, entfiel nach nur wenigen Jahren der Nutzung der Sinn des Depots. In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurden beide Geländeteile endgültig aufgegeben und für eine zivile Nachnutzung angeboten.

Abb.: Lageplan des Korps
Abb.: Korpsstandorte in Niedersachsen

Die Wildtier- und Artenschutzstation e.V. (https://www.wildtierstation.de)

Die Stadt Sachsenhagen kaufte das Gelände nach Aufgabe der militärischen Nutzung für 400.000 DM (einschließlich einem Zuschuss vom Landkreis in Höhe von 100.000 DM) wieder zurück. Ein Landwirt wollte in den Gebäuden eine Schweinemast- und Zucht Anlage betreiben, was von der Stadt aus baurechtlichen Gründen abgelehnt wurde.

Durch die Vermittlung des damaligen niedersächsischen Finanzministers Heiner Aller nahm der Verein Vogelpflegeschutzstation Gut Düendorf bei Wunstorf Kontakt mit der Stadt Sachsenhagen auf. Der Standort Gut Düendorf wurde zu klein und das Gelände des Munitionsdepots war geeignet für eine Expansion.

Auf der Jahreshauptversammlung des Vereins am 21. Sept. 2001 gab es die Zustimmung zu einem Pachtvertrag für das ca. 20 ha große Gelände in Sachsenhagen. Die Vertragsdauer beträgt 10 Jahre auf Option zur 25- jährigen Verlängerung. Die Pacht betrug damals 2.000 DM/Monat. Die laufenden Betriebskosten werden durch Kooperationspartner finanziert. Die Ausbaukosten wurden auf ca. 1,5 Mio. DM veranschlagt (Steinhuder Meerblick vom 10. Okt. 2001).  Stationsleiter war damals Christian Erdmann. Der Pachtvertrag wurde mittlerweile schon einmal um 30 Jahre verlängert.

Seit 2001 werden die vorhandenen Gebäude und Munitionslagerhäuser zur Unterbringung von Tieren der verschiedensten Arten genutzt. Einige Bunker sind an einen Landwirt zu Lagerzwecken untervermietet. Am 21. Oktober 2001 begannen die Ausbauarbeiten zur Wildtier- und Artenschutzstation.

In der Wildtier- und Artenschutzstation werden verletzt oder verwaist aufgefundene Wildtiere aufgenommen, tierärztlich versorgt und gepflegt. Sofern sie die Wildbahntauglichkeit wiedererlangen, werden sie ausgewildert. Weiterhin werden durch Zoll-, Naturschutz- oder Veterinärbehörden eingezogenen Tiere, darunter auch viele Exoten, bis zu einer gerichtlichen Entscheidung betreut und danach an autorisierte Zoos oder Tierparks weitervermittelt.

Träger der Station ist der „Wildtier- und Artenschutzstation e.V.“. Der Verein wurde bereits 1982 unter dem Namen „Vogelpflegestation Gut Düendorf e.V.“ gegründet und nach dem Umzug nach Sachsenhagen in „Wildtier- und Artenschutzstation e.V.“ umbenannt. Heute hat der Verein knapp 200 Mitglieder.

Neben den festangestellten Mitarbeitern sind in der Station Auszubildende, Freiwilligendienstler und ehrenamtliche Mitarbeiter beschäftigt. Insgesamt etwa 20 Mitarbeiter kümmern sich um das Wohlergehen der Tiere.

Der Jahresetat der Wildtierstation liegt bei rund 450.000 €, wovon allein über 300.000 € an Personalkosten anfallen. Feste Zuschüsse erhält die Station über einen Fördervertrag vom Land Niedersachen und von der Tierschutzorganisation aktion tier, Menschen für Tiere e.V. Etwa die Hälfte des Etats muss von der Station über Spenden, Mitgliedsbeiträge, Patenschaften, Pflegekosten und weitere Förderungen getragen werden.

Im November 2003 übernimmt der ehemalige zoologischer Leiter und Zootierarzt des Braunschweiger Zoos Florian Brandes die Leitung der Station. Am 29. Aug. 2004 ist die offizielle Inbetriebnahme der 76.000 € teuren Quarantänestation. Das Deutsche Tierhilfswerk (heute aktion tier, Menschen für Tiere e.V.) steigt als Projektpartner in die Stationsarbeit ein.

Abb.: Der Eingangsbereich zur Wildtierstation
Abb.: Ein Affengehege im ehemaligen Bunkergelände

Die Station eignet sich hervorragend zur Repräsentation der Stadt und ist das bedeutendste Ausflugsziel im Norden des Landkreises Schaumburg. Die Station fördert die Attraktivität der Stadt. Durch die gute Nachnutzung des Depotgeländes ist die Stadt Sachsenhagen über die Kreisgrenzen hinaus bekannt geworden und die Wildtierstation hat sich zur touristischen Attraktion entwickelt. Jedes zweite Jahr wird ein Sommerfest gefeiert.

Abb.: Eine Besuchergruppe in der Wildtierstation

Der neue Schulungsraum der Wildtier- und Artenschutzstation wird am 15.8.2019 offiziell eröffnet. „Nach dem Naturlehrpfad, der Pavillonwiese und den Sanitäranlagen haben wir jetzt, zehn Jahre später, unser mit Abstand größtes Projekt umgesetzt“, sagte Stationsleiter Florian Brandes (Schaumburger Nachrichten vom 25.8.2019).

Abb.: Kultusminister Grant Hendrik Tonne wirbt bei der Eröffnung des Schulungsraumes darum, Schulen in die hiesigen Bildungsangebote einzubinden.